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Love me lordly (WRECKED 1) (German Edition) Page 6
Love me lordly (WRECKED 1) (German Edition) Read online
Page 6
Alice folgte mir mit klackernden Absätzen, die auf dem Marmorboden widerhallten. »Ist der Ferrari noch in der Werkstatt oder wieso fahren wir nicht mit dem?«
»Der Ferrari gehört nicht mir.«
»Was?! Aber ... wem dann?« Alice stolperte fast über ihre eigenen Füße und beeilte sich, mir hinterherzukommen. »Kian! Wieso zur Hölle mache ich das alles hier, wenn es gar nicht dein Wagen war, den ich geschrammt hatte?« Sie griff nach meinem Arm, damit ich stehenblieb.
Ich sah sie durchdringend an. »Weil du nicht willst, dass der eigentliche Besitzer davon erfährt, glaube mir.«
Alice‘ Lippen öffneten sich betörend und schön, als sie zu begreifen schien. »Er gehört deinem Stiefvater, oder? Rich.«
Ich nickte. »Goldrichtig. Und er würde dich sofort vor Gericht zerren, wenn er davon wüsste. Ganz egal, ob du deswegen in den Knast wanderst, weil bei dir nichts zu holen ist.« Oder vielleicht Schlimmeres als das. Rich war bekannt dafür, andere spielendleicht auszubeuten und ihnen auch nachträglich noch das Leben zu zerstören – so sehr, dass sie danach nie wieder auf die Beine kamen oder sich davon erholen konnten. Er hatte zu viel Macht über zu viele Menschen. Und genau das musste ich endlich ändern.
»Sei froh, dass ich dir diesen Deal vorgeschlagen habe. Besser hätte es für dich nicht kommen können«, sagte ich trocken und stieg ein.
»Ist das wenigstens dein Wagen? Der Mustang, meine ich«, fragte Alice verunsichert, als sie neben mich auf den Beifahrersitz kletterte und ihr Kleid sorgfältig zurechtrückte, damit es während der Fahrt nicht knitterte.
»Jep.« Ich startete den Motor und sah zu ihr hinüber. »Entspann dich mal. Ich brauche dich gleich mit charmantem Dauerlächeln und zuckersüßem Wimpernklimpern, klar?«
Alice atmete tief durch und sah hinaus zum Fenster, als ich losfuhr. »Ich habe Angst, einen Fehler zu machen«, gestand sie leise. »Habe Angst, mich zu verraten. Uns.«
Schnaubend gab ich Gas. »Und wennschon. Die denken über mich doch sowieso alle nur das, was sie denken wollen.«
»Wie meinst du das?« Interessiert drehte sie sich in ihrem Ledersitz zu mir um und sah mich verwundert an.
»Ich bin ein 25-jähriges, verwöhntes Arschloch in ihren Augen. Ein Typ, der nichts in seinem Leben selbst erreicht hat und der nichts anderes will, als das Geld seines Stiefvaters zu verprassen, Party zu machen und wie wild in der Gegend zu vögeln. Also all das, was sie nicht mehr dürfen, sich aber so sehr wünschen.« Ich lächelte verbittert und warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. »Sie sind neidisch, Aschenputtel. Und Neid lässt die Menschen hässlich werden. Nicht nur äußerlich.«
»Ich bin neidisch«, hörte ich sie plötzlich nachdenklich flüstern und war mir nicht sicher, ob sie wollte, dass ich es hörte oder ob sie das nur zu sich selbst sagte.
»Auf was oder wen?«, fragte ich dennoch finster, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie einen ernsthaften Grund dazu hatte.
Alice seufzte. »Darauf, dass du dir keine Gedanken darum machen musst, wie du den nächsten Monat überlebst, zum Beispiel. Du brauchst dir um nichts Sorgen zu machen, kannst in Ruhe dein Leben genießen. Darauf bin ich neidisch und ich habe kein Problem, es zuzugeben. Macht mich das in deinen Augen jetzt ebenso hässlich wie diese anderen Menschen?«
Scheiße, nein! Sie könnte vor Neid zerfressen sein und würde noch immer aussehen wie ein verdammter Engel.
»Du hast überhaupt keine Ahnung, wovon du redest, Hollister«, knurrte ich wütend. Schließlich kannte sie mich nicht. Sie hatte keinen Schimmer, mit welchen Sorgen ich mich tagtäglich herumschlagen musste und wie sehr meine Gedanken mich manchmal verfolgten und innerlich zerfraßen. Nur weil ich Geld hatte, bedeutete das nicht, dass es mir an nichts fehlte. Ganz im Gegenteil. Doch woher sollte sie das wissen?
* * *
Als wir einige Minuten später am Restaurant ankamen, in dem der Kunde und ich uns zum Essen verabredet hatten, blieb ich noch einen Moment im Wagen sitzen und blickte hinüber zu Alice.
Ihr Körper hatte sich versteift und ihre Finger gruben sich tief in das weiche Leder meines Mustangs, als sie hinaus zu der Menschenmenge starrte, die adrett in einer Schlange vor dem Eingang des Restaurants standen und darauf warteten, einen freien Tisch zu bekommen.
»Müssen wir uns auch anstellen?«, fragte sie nervös und zupfte unnötigerweise an ihren Haaren herum.
»Ich muss mich niemals anstellen, Aschenputtel. Nirgendwo. Es wurde ein Tisch für uns reserviert, wir können also direkt reingehen und uns setzen.«
Alice sah mich an. »Was ... was soll ich tun? Ich meine, wie soll ich mich jetzt verhalten und wie gehe ich mit deinem Kunden um? Ich ... ich bin nicht gut in so etwas.« Sie stotterte.
»Verstell dich nicht. Sei genauso, wie du bist – nur versuch, so oft es geht, den Mund zu halten und mich antworten zu lassen. Ich will, dass du diese alten, geilen Böcke mit deiner Art so sehr entzückst, dass sie nachts beim Wichsen an dich denken müssen.«
Unweigerlich verzog sie das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Das ist widerwärtig. Und das tue ich auf gar keinen Fall, Kian.«
»Fuck, du weißt, was ich meine«, sagte ich hart. »Sei ein Engel, ein zuckersüßer Engel, denen sie nicht widerstehen können und von dem sie auch Rich später vorschwärmen werden, wenn er sie ins Kreuzverhör nimmt. Mehr musst du nicht tun. Klar?«
Sie atmete ein paar Mal tief durch und nickte langsam. »Ist gut. Ich versuch’s.«
»Du musst keine Angst haben. Ich werde dich keine Sekunde aus den Augen, geschweige denn alleine mit diesen Männern lassen. Verstanden?« Bohrend starrte ich sie an.
»Verstanden«. Alice nickte erneut. »Du teilst nun mal nicht gern.«
Ein leicht beeindrucktes Lächeln schlich sich auf meine Lippen. »Ganz genau.«
Sieben
Alice
Ohne ein weiteres Wort an mich zu richten, stieg Kian aus und ging zur Beifahrerseite seines Mustangs, um mir die Tür zu öffnen und mir beim Aussteigen zu helfen. Unerwartet sanft griff er nach meiner Hand und schenkte mir ein Lächeln, von dem ich nicht sicher wusste, ob es gespielt oder echt war.
Vorsichtig stieg ich aus, ohne meine Beine zu weit auseinander zu schieben. Bloß nichts von meiner Unterwäsche preisgeben, mahnte ich mich. Auch wenn Kian scheinbar darauf gehofft hatte und sein Blick unnötig lang am unteren Saum meines Kleides klebte.
Viel zu nah stand er vor mir und musterte mich ein letztes Mal prüfend, ehe wir das Restaurant betreten konnten. Sein Blick schien ausdruckslos, genau wie vorhin im Knox.
Ich hatte so sehr gehofft, er zeigt irgendeine Regung, lächelt oder nickt zufrieden. Schließlich war er es, der dieses Kleid für mich ausgesucht hatte. Genauso wie er der armen Friseurin gezielte Anweisungen gegeben hatte, wie sie mich herrichten sollte. Und doch bekam ich als Dank nichts weiter als ein ausdrucksloses Gesicht und einen Blick, den ich nirgends zuordnen konnte.
Mittlerweile bekam ich den lächerlichen Verdacht, er versteckte seine Gedanken mit voller Absicht vor mir. Nur verstand ich leider nicht, wieso er das tat. Vermutlich war das so ein Macht-Ding, das er unbedingt brauchte, um sich besser und erhabener zu fühlen. Dabei hatte er das nun wirklich nicht nötig ...
»Kian! Wie schön, dass wir mal wieder Zeit gefunden haben, uns zu treffen. Wie lange ist es bereits her – zwei Jahre?!«
Paxton drehte sich um und sah einem leicht ergrauten, älteren Herren entgegen, der ihn freundlich mit einem Lächeln und einem Händedruck begrüßte, bevor sein Blick unweigerlich auf mich fiel und sich seine Augen verwundert weiteten.
»Tony, darf ich vorstellen? Das ist Alice. Meine bessere Hälfte.« Kian legte besitzergreifend seinen Arm um meine Taille und zog mich an sich.
Tony schien sichtlich überrascht, versuchte trotzdem höflich zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen. Wie ein Gentleman hauchte er einen Kuss auf meinen Handrücken und lächelte. »Bezaubernd«, kommentierte er, wie ich vermutete, mein Aussehen, und sah dann wieder zu Kian, dessen Arm mich noch fester an seinen Körper presste.
Etwas verunsichert, ob ich etwas dazu sagen sollte, sah ich hinauf und be
gegnete Kians Blick. Seine Augen bohrten sich in meine und ich spürte mein Herz, wie es aus meiner Brust springen wollte. Es raste unkontrolliert und laut.
Schnell schluckte ich den dicken Kloß in meinem Hals hinunter und räusperte mich unbeholfen, damit er meinen pochenden Herzschlag nicht hörte. Ein unwiderstehliches Lächeln lag auf seinen hypnotischen Lippen, eins, das ich bisher noch nie bei ihm gesehen hatte, und ich konnte die Wirkung, die dieser Mann vom ersten Moment an auf mich hatte, nicht mehr länger leugnen. Ich fühlte mich von ihm – selbst von seiner seltsam herrischen Art – angezogen. Und auch wenn ich wusste, wie dumm es von mir war, das zuzulassen, so konnte ich mich ihr nicht entziehen. Nicht, wenn er mir so nah war wie in diesem Moment.
* * *
Mein anfängliches Hochgefühl verwandelte sich mit jeder weiteren Minute, die ich neben Kian und zwischen all den mir unbekannten Männern am Tisch saß, in unbehagliches Schweigen. Das Restaurant schien voll mit reichen, selbstverliebten und erfolgreichen Geschäftsleuten. Paxtons Kunde und sein Gefolge, das er zum Schutz oder einfach nur aus Spaß mitgebracht hatte, waren beinahe furchteinflößend und nahmen kaum Rücksicht auf mich. Ich war mit Abstand die Jüngste an diesem Tisch voller stinkreicher Männer, die mich zwar immer wieder mit für mich unangenehmen Blicken bedachten, mich letztendlich aber dennoch ignorierten.
Nur Kian warf immer wieder einen Blick zu mir hinüber, vermutlich nur um zu kontrollieren, ob ich noch brav lächelte. Sein Wort hielt er dennoch. Er ließ mich nicht eine einzige Sekunde mit diesen Leuten alleine. Dafür war ich ihm dankbar.
* * *
Als wir uns nach dem Essen auf den Weg in die Oper machen wollten und zu meiner Überraschung nicht die Geschäftsleute, jeder für sich, sondern Kian ganz allein die Rechnung im Restaurant für alle zahlte, hielt er mich kurz auf. »Geht es dir gut, Aschenputtel? Kommst du die nächsten drei Stunden noch klar mit diesen Wichsern?« Kians Blick spiegelte pure Verabscheuung wider und ich ahnte, weshalb. Diese Männer erinnerten ihn offensichtlich an Rich, seinen Stiefvater, der ihm scheinbar mehr als nur das Leben zur Hölle machte.
»Mir geht es gut, ich schaff das schon.« Ich versuchte zu lächeln, doch mir war klar, dass ihm die Lüge in meinen Augen auffallen würde. »Es gehört zu unserer Abmachung und ich habe nicht vor, dich zu enttäuschen.«
Kians linker Mundwinkel zuckte, doch er blieb ernst und funkelte mich stattdessen warnend an. »Das würde ich dir auch raten. Vor dem Eingang der Oper werden Fotografen auf uns warten und ich will, dass jeder sieht, dass du mein Mädchen bist. Haben wir uns verstanden?«
Erneut bildete sich ein gigantischer Kloß in meiner Kehle und ich nickte ehrfürchtig. »Solange wir uns nicht küssen müssen, ist das kein Problem für mich.«
Kian lachte spöttisch auf. »Kannst du vergessen, Baby. Wenn es sein muss, fick ich dich auch direkt vor ihren Augen. Und wenn ich dich küssen will, dann tue ich das genauso.«
Ich erstarrte. Die Härte seiner Worte ließ mich an mir selbst zweifeln. Denn statt davon angewidert zu sein, war ich etwas ganz anderes – erregt. Und genau das bemerkte er sofort. Schließlich verriet mich der viel zu dünne Stoff meines Kleides, unter dem sich jetzt meine Brustwarzen deutlich abzeichneten.
Befriedigung, vor allem aber Genugtuung, lagen in seinem Blick und ich spürte, wie sich ein intensives Kribbeln durch meinen Körper zog und zielgerecht in meinem Schoss endete.
Ich schluckte hart. »Das war nie Teil unserer Abmachung, Kian. Keine Küsse. Du kommst mir auch nicht zu nah, sonst ist der Deal geplatzt«, sagte ich voller Entschlossenheit. Ganz egal, wie sehr sich mein Körper von ihm angezogen fühlte, mein Verstand funktionierte noch einwandfrei und ließ mich nicht zu einer seiner Marionetten werden.
Kian hob überrascht eine Augenbraue und sah mich herausfordernd an. »Und wenn ich dich anfasse?« Heiser und lauernd kroch seine dunkle Stimme quer durch meinen Körper und löste eine Welle von Beben in mir aus.
Ich riss mich mühevoll zusammen und hielt seinem Blick stand. »Wenn es der Situation angemessen ist und du nicht übertreibst, deine Hände also weder an meinem Hintern, noch unter meinem Kleid landen, habe ich nichts dagegen.«
Kians Mundwinkel zuckte erneut. »Für die Sache mit deinem Arsch kann ich nicht garantieren.«
»Du wirst dich aber zusammenreißen, es nicht zu tun«, warnte ich ihn und ließ ihn damit einen Moment lang sprachlos zurück, wie mir schien. Zumindest sagte er kein Wort, starrte mir nur ungläubig, und möglicherweise auch wütend, entgegen. Bis jemand seinen Namen rief und wir bemerkten, dass wir die Einzigen waren, die noch im Restaurant standen, während die anderen entweder draußen oder längst zur Oper vorgefahren waren.
»Keine Frau hat es je gewagt, mir Forderungen zu stellen«, flüsterte mir Kian knurrend ins Ohr, als er meine Hand nahm und mit mir nach draußen ging.
»Dann bin ich wohl die Erste«, erwiderte ich leise, als er mir half, in seinen Wagen zu steigen.
Kian beeilte sich, um sich hinter das Steuer zu setzen und ließ den Motor unnötig laut und lange aufheulen, bevor er sich zu mir umdrehte und mir einen vernichtenden Blick zuwarf. »Du bist und bleibst die Einzige. Ich lasse mir sonst nur ungern etwas sagen.«
»Und ich lasse mich nur ungern benutzen«, meinte ich trotzig, bevor er mit quietschenden Reifen losfuhr, als wäre er auf der Flucht.
* * *
Die Oper war nicht annähernd das, was ich erwartet hatte. Natürlich war es faszinierend und irgendwie geheimnisvoll. Doch es war einfach nicht meine Welt. Und wie ich amüsiert feststellte, war sie es ebenso wenig Kians.
Schwer ausatmend saß er nach nur einer Stunde neben mir und wirkte ganz und gar gelangweilt und müde. Im Gegensatz zu seinem Kunden und dessen Gefolge, die den Gesang der fülligen Dame auf der Bühne wahrlich zu genießen schienen.
Unauffällig und mit genervtem Blick sah Paxton auf seine sündhaft teure Armbanduhr, als er bemerkte, dass ich ihn dabei beobachtete. Prüfend zog er die Augenbrauen zusammen und starrte mich an. Stechend und intensiv, als versuchte er, in mir zu lesen.
Das verräterische Kribbeln, das sich heute zum wiederholten Mal tief in mir meldete, zog sich quer durch meinen Körper und mündete unweigerlich zwischen meinen Oberschenkeln.
Nervös biss ich mir auf die Unterlippe.
»Gib mir einen Grund, endlich von hier zu verschwinden, Aschenputtel.« Erstarrt blieb ich regungslos sitzen, als ich seinen heißen Atem an meinem Nacken spürte und seine warmen Lippen an meinem Ohr.
Hart schluckend versuchte ich ruhig zu atmen und ihm meine Unsicherheit nicht zu zeigen, doch ich wusste, mein Körper verriet mich gnadenlos. »Ich bekomme hier drin kaum Luft«, hauchte ich atemlos und hoffte, das würde ihm als Grund genügen, um die Flucht ergreifen zu können.
Kians Augen funkelten auf. Knapp nickte er mir zu, bevor er sich zu den Herrschaften zu seiner Linken lehnte und ihnen etwas zuflüsterte, was ich nicht verstand. Anschließend griff er nach meiner Hand und zog mich von meinem Sitz hoch.
»Lass uns gehen. Jetzt!«, befahl er launisch und schob mich mit der Hand in meinem Rücken durch die Stuhlreihe hinaus in den Gang und geradewegs zum Ausgang, noch ehe ich mich von den Geschäftsleuten verabschieden und ihnen einen schönen Abend wünschen konnte.
Ein brennendes Prickeln entflammte unter seiner Berührung auf meiner Haut und so beeilte ich mich, das große, barocke Gebäude zu verlassen. Erst als wir draußen in einer Seitengasse standen und ich erlösend die frische Nachtluft in mich einsog, ließ Kian mich los und schob seine Hände mit einem ehrlich beeindruckten Lächeln in die Hosentaschen.
Stumm betrachtete er mich zufrieden.
»Werden diese Leute jetzt nicht misstrauisch, weil wir so überstürzt abgehauen sind?«, fragte ich unsicher. »Ich dachte, ich soll einen guten Eindruck hinterlassen, damit sie vor deinem Stiefvater nichts Falsches über mich sagen.«
»Das werden sie nicht«, sagte er überzeugend. »Sie haben dich den ganzen Abend haargenau beobachtet und werden jetzt denken, dass wir irgendwo hier draußen oder in meinem Wagen miteinander vögeln, weil wir keine Sekunde länger die Finger voneinander lassen
konnten.«
»Und das ist gut?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn und war leicht entsetzt über diesen Gedanken.
»Das ist perfekt!« Kian grinste. Es war dieses echte Grinsen, das er nur selten zeigte und das sämtliche Körperregionen von mir zum Zittern brachte. »Sie werden denken, du bist mir wichtiger als der Kundentermin und das – genau das – macht mich in ihren und auch in Richs Augen zu einem besseren Mann. Zumindest schätze ich ihn so ein. Dabei ist er selbst ein dummes Arschloch, das keine Ahnung von Manieren und Anstand hat. Schon gar keine von Ehre oder Loyalität.«
»Loyalität ist wichtig«, erinnerte ich mich mit bitterem Lächeln, das er ebenso bemerkte, wie meine fröstelnden Arme, über die ich für einige Sekunden rieb.
»Ich fahre dich nach Hause«, beschloss er und nahm meine Hand, um mich zu seinem Wagen zu führen.
Bevor ich jedoch einsteigen konnte, spürte ich plötzlich, wie er mir sein Sakko um die Schultern legte. Vielleicht steckte ja doch ein kleiner Gentleman in ihm, nur wollte Kian ihn nicht zeigen. Aus Angst, man würde es ihm als Schwäche auslegen. Möglich wäre es. Und mittlerweile traute ich ihm alles zu. Er schien unberechenbar, ganz egal, was er tat.
* * *
Wenige Minuten später standen wir vor dem heruntergekommenen Gebäudekomplex, in dem ich ein winziges 1-Zimmer-Appartement bewohnte.
Ich schämte mich, zusammen mit Kian hier zu sein und hatte darauf bestanden, dass er mich zum Parkdeck der Einkaufsmeile bringt, auf dem er mich heute Mittag aufgegabelt hatte. Schließlich stand dort noch mein Wagen und ich hätte dann alleine nach Hause fahren können. Doch Kian ließ keine Diskussionen zu und brachte mich auf direktem Wege hierher.
»Du bist sicher, dass du hier lebst? Da drin?« Er deutete mit verzogener Miene auf das Haus, das nicht nur voller Graffiti war, sondern so kaputt und beschädigt aussah, als würde es jeden Moment in sich zusammenfallen.