Love me lordly (WRECKED 1) (German Edition) Read online

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  Angst packte mich, als mir erneut bewusst wurde, in welche Gefahr ich mich begeben könnte. Niemand wusste, dass ich hier war, niemand würde nach mir suchen, wenn mir etwas passierte. Ich war allein auf mich gestellt und hatte keine andere Wahl, als das Risiko einzugehen.

  Prüfend warf ich einen Blick in den Rückspiegel und betrachtete mein leichenblasses Gesicht. Ich sah aus, als hätte ich ein Gespenst gesehen. Meine grünen Augen wirkten müde und ängstlich. Die Haare, triefend nass vom Regen, klebten mir auf Stirn und Wangen. Leicht befeuchtete ich meine trockenen Lippen, damit sie nicht ganz so glanzlos und rissig aussahen, wie sie sich anfühlten.

  Tief atmete ich ein paar Mal ein und wieder aus, bevor ich nervös aus dem Wagen stieg und an mir herunterschaute. Meine helle Bluse schien stark durchnässt und ließ meine schwarze Unterwäsche unweigerlich durchschimmern.

  Shit!

  Ich wünschte, ich hätte mir heute Morgen etwas anderes angezogen, etwas, das nach mehr Qualität aussah und vor allem nicht direkt durchsichtig wurde, sobald es mit Wasser in Berührung kam. Meine Jeans sah ebenso erbärmlich und nass aus, was mich enttäuscht seufzen ließ.

  Das Glück war auch heute nicht auf meiner Seite. Weshalb machte ich mir also überhaupt die Mühe, diesem Mann irgendeinen Deal vorzuschlagen? Wieso ergab ich mich nicht meinem Schicksal und fuhr wieder zurück nach Hause? Sollte er mich eben anzeigen. Wäre das denn so viel schlimmer, als diese Demütigung, der ich mich ihm gegenüber gleich hingeben würde?

  Ich war mir unsicher, was ich tun sollte. Jemand der so viel Geld besaß, dass er hier problemlos leben konnte, dem konnte meine Notsituation doch vollkommen egal sein. Weshalb nahm er sich extra die Zeit, um mich anzuhören? Offenbar schien er vielbeschäftigt. Und sein Desinteresse am Telefon zeigte mir, dass es ihm egal war, ob und wer den Schaden seines Wagens zahlte.

  »Sind Sie Alice Hollister?«

  Eine Stimme hinter mir ließ mich zusammenzucken. Erschrocken drehte ich mich um und stand einer alten Dame gegenüber, die mich prüfend musterte. Sogar ihre Blicke weckten Unbehagen in mir, wie sollte das erst werden, wenn ich dem Mann gegenüberstand, dessen Luxusschlitten ich geschrammt hatte?

  Stumm und voller Angst nickte ich, als mein Blick auf den großen Korb fiel, den sie in ihren Händen trug. »Kann ich Ihnen damit vielleicht helfen?«, bot ich ihr ohne weiter darüber nachzudenken an.

  »Danke, das wäre wirklich sehr lieb von Ihnen«, erwiderte die alte Dame und lächelte überrascht.

  Vorsichtig nahm ich ihr den Korb ab und erhaschte einen kurzen, prüfenden Blick auf den Inhalt. Frisches Obst, dazu ein paar Säfte, Gemüse und drei Flaschen Wodka. Ich hob eine Augenbraue. Vermutlich handelte es sich bei der Frau um die Haushälterin des Luxuswagen-Besitzers, auch wenn ich es seltsam fand, dass sie für ihn Alkohol kaufte. Für seine Mutter schien sie allerdings zu alt. Denn wider meiner Erwartungen klang der Mann am Telefon deutlich jünger, als ich ihn mir zuvor vorgestellt hatte.

  »Folgen Sie mir bitte«, sagte die Dame, während wir uns einem der riesigen Grundstücke am Strand näherten und zunächst vor einem großen Eisentor stehen blieben. »Er wartet schon auf Sie«, murmelte die Frau, während sie einen dicken Schlüsselbund aus ihrer Tasche zog und das Tor vor uns öffnete. »Kommen Sie, nicht so schüchtern.« Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, das ich nicht deuten konnte, als ich das Grundstück des Mannes betrat, dessen Wagen ich demoliert hatte.

  Ein perfekt gepflegter Vorgarten befand sich vor uns, die Grundstücksmauern umgeben von großen Palmen, die das Anwesen freundlich und warm erscheinen ließen. Am hinteren Ende erkannte ich ein separates Gebäude, konnte es allerdings nicht zuordnen, hatte ich so etwas zuvor doch noch nie gesehen.

  »Das ist der Fuhrpark«, erläuterte die alte Dame neben mir, als sie meinen musternden Blick bemerkte.

  »Fuhrpark?!«, entwich es meinen Lippen ungläubig. Bedeutete das, dieser Mann besaß mehr als einen dieser Luxusschlitten? Schien er aus diesem Grund nicht interessiert daran, seinen Ferrari reparieren zu lassen?

  »Und das da hinten, das ist das Poolhaus«, erzählte die Frau unbeirrt und deutete auf ein kleineres, aber ebenso schönes Gebäude, das wiederum an das Haupthaus, das eher wie eine altmoderne Villa aussah, anschloss. Zwar fragte ich mich, weshalb man ein Poolhaus benötige, geschweige denn einen Pool, wenn man ohnehin den Ozean vor der Nase hatte, doch so war das bei den gutbetuchten Leuten in dieser Gegend scheinbar.

  Das ganze Anwesen wirkte mehr als nur einschüchternd. Es war wunderschön und die Lage direkt am langen, weißen Strand, mit dem endlosen Ozean davor, war schlicht perfekt. Es erinnerte mich unweigerlich an das Traumhaus, von dem ich als kleines Mädchen immer geträumt hatte.

  »Ich gehe sofort nachsehen, ob er Sie empfangen kann. Schauen Sie sich ruhig ein wenig hier unten um«, bat mich die alte Dame ins Haus, nachdem sie die beeindruckend große Haustür aufgeschlossen hatte.

  Ehrfürchtig öffnete sich mein Mund, als ich ins Innere des Hauses eintrat und die stilvolle Einrichtung und Dekoration bewunderte.

  Noch ehe ich bemerkte, dass ich mittlerweile völlig alleine in dem großen Eingangsbereich dieses Hauses stand, war die kleine Dame in einem der vielen Zimmer verschwunden und mein Herz begann dynamisch gegen meine Brust zu hämmern.

  Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe und versuchte einige Minuten lang einen Hinweis darauf zu finden, bei wem ich hier eigentlich gerade zu Gast war. Doch nichts von all dem, was sich hier befand, schien mir Aufschluss darüber geben zu wollen.

  Nervös strich ich mir die durchnässte, durchsichtige Bluse zurecht, fuhr mir mit kalten Fingern durch die nassen Strähnen meiner aschblonden Haare und schluckte hart, als ich Schritte im Nebenzimmer hörte.

  Zwei

  Kian

  Wütend biss ich die Zähne zusammen und drückte das Smartphone in meiner Hand so fest, dass ich es beinahe zerquetschte. Wäre Sophia nicht ausgerechnet in diesem Moment reingekommen, hätte ich das verdammte Ding wahrscheinlich gegen die beschissene Wand geknallt, bis es in tausend Einzelteile zersprungen wäre.

  »Mach nicht so ein angespanntes Gesicht, Junge. Davon bekommst du Falten.« Sophia, meine Haushälterin und frühere Nanny, lächelte besänftigend. Dabei hatte sie nicht die leiseste Ahnung, in welchen Schwierigkeiten ich diesmal steckte.

  Zuerst die Sache mit dem verfickten Ferrari meines Stiefvaters, jetzt auch noch sein scheiß Ultimatum. Und als wäre das nicht genug, war da auch noch diese Kleine, die offensichtlich weder das Geld noch eine Versicherung besaß, um das Ausbessern des dämlichen Lackschadens zu bezahlen.

  Nicht, dass ich darauf angewiesen wäre. Der Wagen war schließlich ohnehin bereits in der Werkstatt. Trotzdem hatte ich gehofft, den Mist nicht aus eigener Tasche blechen zu müssen. Zumal es für den Arsch war! Richmond würde der ausgebesserte Lack an seinem Liebling sowieso früher oder später auffallen und damit würde rauskommen, dass ich die Karre in der Stadt spazieren gefahren hatte, obwohl er es hasste, wenn ich das tat.

  »War das dein Stiefvater eben am Telefon?« Sophia räumte ein paar leere Flaschen und Gläser von meinem Tisch, die von letzter Nacht herumstanden und mich an heiße, lange Beine und viel zu süßes Parfüm erinnerten.

  »Der Teufel persönlich«, knurrte ich mit angespanntem Kiefer und starrte nachdenklich durch die verglaste Front nach draußen auf das weite Meer, das vor mir lag. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun und ob ich überhaupt auf die Drohung von ihm reagieren sollte. Wer wusste schon, zu was er alles in der Lage war, wenn ich seinen Forderungen nicht nachkam? Wahrscheinlich würde er mir alles nehmen. Denn so war er eben. Ein dämliches, reiches Arschloch, das zu viel Macht für so wenig Hirn besaß.

  Mit zusammengebissen Zähnen drehte ich mich um und starrte zu meiner Haushälterin, die mich mit besorgtem Blick musterte.

  »Hat er gesagt, wann er wieder hier sein wird?«, fragte Sophia vorsichtig, während sie die Sitzflächen der Ledercouch abwischte. Sie wusste allzu genau, was sich gestern Nacht darauf abgespielt hatte. Schließlich hing der grässlich neongelbe String noch immer über der Armlehne.

  Unweigerlich verzo
g ich das Gesicht, als ich das Teil musterte. Wusste der Teufel, wieso sich Frauen heutzutage Dessous in Neonfarben kauften. Wir lebten nicht in den 80ern. Was sollte der Scheiß also? Wo waren bloß all die Frauen geblieben, die Stil und Klasse besaßen? Gab es die in Florida überhaupt noch?!

  Ich schüttelte meine Gedanken ab und sah wieder zu Sophia. »Er kommt in etwa zwei Wochen zurück«, sagte ich und schob mir die geballten Fäuste in die viel zu engen Taschen meiner verhassten Anzughose, in der mein Schwanz nie genug Platz zu haben schien. »Er will, dass ich mich bis dahin zusammengerissen und mein Leben geordnet habe.«

  Sophia hörte abrupt auf, das Leder der Couch zu schrubben, und starrte fassungslos zu mir rüber.

  »Keine Eskapaden mehr. Keine Partys, kein Alkohol, und ganz besonders keine leichtbekleideten, schon gar keine bezahlten, Mädchen.« Ich lächelte verbittert. »Er sagt, ich soll endlich erwachsen werden, Verantwortung übernehmen. Ein braver Sohn sein. Sonst würde er mich nicht an der scheiß Firma beteiligen können, für die ich mir den Arsch aufgerissen hatte.«

  »Das kann er doch nicht tun!«

  Ich lachte bitter auf. »Er kann und er wird, wenn es sein muss. Denn so, wie ich jetzt bin, bin ich ihm zu unberechenbar. Wenn ich in zwei Wochen nicht zu einem seiner Roboter geworden bin, nimmt er mir alles weg und schmeißt mich raus.«

  Sophia sah mich mit offenem Mund an und schüttelte protestierend den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen, Kian. Deine Mutter wird das nicht zulassen, hörst du?«

  »Wird sie nicht?«, fragte ich und hob beide Augenbrauen. »Ich bin ihr doch schon lange egal. Und wenn er mich nicht beteiligt und mich aus der Firma wirft, habe ich nichts mehr. Er wird mir alles nehmen, meine Konten und Kreditkarten sperren lassen und mich rausschmeißen. Du weißt, wie er ist. Geld ist alles, das zählt.«

  Wie sich meine Mutter damals in diesen Wichser verlieben konnte, war mir bis heute ein Rätsel. Er hatte sie nicht nur verarscht, er hatte sie vollkommen geblendet. So sehr, dass sie mittlerweile nicht einmal mehr Realität von Wahnsinn unterscheiden konnte. Sie lebte in einer anderen Welt, seitdem sie mit ihm zusammen war – in einem verstrahlten Paralleluniversum, in dem alles, was Rich sagte, Gesetz war. In ihren Augen war er ein gottverdammter Heiliger, statt der Typ, der sie kleinhielt und sie in tiefe Depressionen stürzte. Ich hingegen als ihr Sohn ... Ich existierte für sie gar nicht mehr.

  »Ganz egal, was passiert, ich werde dich nicht gehenlassen, hörst du, Junge? Du gehörst hierher, zu uns«, hörte ich Sophia entschlossen sagen, als sie auf mich zukam und mich plötzlich in ihre Arme zog.

  Ich schmunzelte und hauchte ihr einen Kuss auf das leicht ergraute Haar. »Du bist die einzige Familie, die ich habe.«

  Sophia war an meiner Seite, seitdem ich neun war. Nachdem meine Mutter mit mir zusammen aus Kanada nach Florida abgehauen war und sie kurz darauf Rich kennenlernte, kümmerte sich Sophia um mich. Meine Mutter brachte es nicht zustande, alleine mit mir fertig zu werden. Schon gar nicht, als ich irgendwann in die Pubertät kam und in der Schule nur Ärger machte. Sophia war deswegen unentbehrlich für meine Mutter geworden. Und mittlerweile war sie das auch für mich.

  »Ist die Kleine schon da, die ich vorhin angerufen habe?«, fragte ich, als sie sich von mir löste und die letzten Überreste von gestern Nacht beseitigte.

  »Du meinst, Alice Hollister?« Sophia lächelte geheimnisvoll. »Sie ist gerade angekommen. Deswegen wollte ich noch schnell hier drin etwas saubermachen. Nicht, dass sie noch denkt, du wärst Alkoholiker.« Mit tadelndem Blick hob sie die beiden leeren Flaschen Gin vom Boden auf und warf sie zusammen mit dem neongelben String mitsamt ihrer zum Putzen benutzten Latexhandschuhe in den Mülleimer.

  »Bin ich das denn nicht?«, fragte ich amüsiert grinsend, »Ein Alkoholiker, meine ich.«

  Sophia seufzte schwer und schüttelte den Kopf. »So weit würde ich es niemals kommen lassen, Junge.« Vorwurfsvoll sah sie mich an, bevor sie mit strenger Miene mein Outfit prüfte. »Du solltest dir dein Hemd wieder ordentlich in die Hose schieben, Kian. Begrüße das Mädchen anständig. Das hat sie verdient.«

  Hellhörig hob ich erneut beide Augenbrauen und starrte meine Haushälterin überrascht an. »Mädchen?«

  Sophia nickte. »Na, ich schätze, sie ist ein paar Jahre jünger als du.«

  »Um Himmels willen!«, knurrte ich, »Hatte sie überhaupt einen gültigen Führerschein oder hatte sie die Karre ihrer Eltern geklaut, als sie den scheiß Ferrari geschrottet hatte?«

  »Es waren nur Kratzer, Junge. Mehr nicht«, bemerkte Sophia spitz und sah mich warnend an. Sie war die einzige Frau, der ich so etwas durchgehen ließ.

  Seufzend kapitulierte ich. »Sie ist also nicht minderjährig und ich mache mich hier nicht mit irgendetwas strafbar?« Ein dreckiges Grinsen schlich sich auf meine Lippen, ohne, dass ich es vermeiden konnte. Ich wusste, ich konnte Sophia damit ärgern – die Masche zog bisher immer.

  Diesmal offensichtlich nicht. »Solange du deine Hände und Zunge bei dir behältst, wäre das auch bei einer Minderjährigen kein Problem«, konterte sie weder verärgert noch gereizt. Stattdessen erwiderte sie mein Grinsen keck und zuckte mit den Schultern. Ich wette, das hatte sie von mir.

  Provokant hob ich dennoch meine Hände und grinste eine Spur breiter. »Zu schade! Dabei bin ich doch so talentiert mit diesen Werkzeugen.«

  Sophia verdrehte die Augen und schüttelte abermals den Kopf. »Bleib anständig, Kian. Sie scheint ein liebes Mädchen.«

  Liebes Mädchen? Scheiße, waren wir hier in Disneyworld?!

  »Super«, schnaubte ich und setzte mir ein falsches Lächeln auf. »Das sind ja beste Aussichten!«

  Sophia grinste. »Oh, die wirst du tatsächlich gleich haben, Casanova!«

  Was auch immer sie mir damit sagen wollte, sie hatte es zumindest geschafft, mich neugierig zu machen. »Lass Cheryl die Kleine reinschicken.«

  Drei

  Alice

  Eine junge, sehr hübsche Brünette öffnete die Tür und musterte mich mit einem amüsierten, überheblichen Lächeln. »Mr. Paxton wartet auf Sie.«

  Paxton also.

  Auch wenn ich endlich den Namen des Mannes kannte, dessen Wagen ich vor einigen Tagen schrammte, schien die Tatsache plötzlich eher nebensächlich für mich. Denn es war die junge Frau, die ich als seine Assistentin vermutete, die meine Aufmerksamkeit erregte.

  Die Art, wie die Brünette mich ansah, sagte mir, dass sie nicht nur seine Assistentin war – oder zumindest mehr als das sein wollte. Ihr Blick glitt mehrmals an mir auf und ab, prüfend und abschätzend. Doch ihr aufgelegtes, spöttisches Lächeln ließ mich längst erahnen, was sie über mich dachte. Und das lag nicht nur an meinen Kleidern oder deren Stil. Meine Haare waren nicht annähernd so glänzend und schön wie ihre. Genauso wenig wie meine Figur, die ihrer nicht im Geringsten glich.

  Automatisch straffte ich die Schultern, damit ich größer und mein Dekolletee praller wirkte. Ich hatte noch nie Modelmaße besessen, wollte diese allerdings auch nicht. Ich war zufrieden mit meinem Körper, auch wenn er keiner Size Zero entsprach, wie der von der Brünetten vor mir. Dennoch schüchterten mich ihre Blicke ein, auch wenn ich es ihr gegenüber nicht zeigen wollte.

  »Kommen Sie.« Ein gespielt freundliches Lächeln saß auf den tiefroten Lippen der Brünetten, als sie eine der vielen Türen einen Spalt breit öffnete und mir den Blick in das Zimmer hinter ihr ebnete.

  Ein großer Raum, dunkel und mit viel Holz geschmückt, tauchte vor mir auf. Wandgroße Regale voller Bücher an den Seiten links und rechts, ein gigantischer Tisch mit einem pechschwarzen Ledersessel dahinter, der mich wissen ließ, dass ich hier mitten in seinem privaten Arbeitszimmer stehen musste. Die gesamte Front vor mir schien komplett verglast, keine dicke, graue Betonwand, die mir die Sicht auf das raubte, was sich dahinter verbarg – der blaue Atlantik in all seiner Pracht.

  Ich konnte nicht vermeiden, dass sich meine Lippen voller Erstaunen öffneten, während ich den Raum langsam betrat und die Hände nervös vor meinem Schoß verschränkte, bevor ich den Blick dem eigentlichen Ziel zuwandte.

  Der Mann, der mich treffen wollte, st
and mir und seiner Assistentin den Rücken zugewandt direkt vor der riesigen Fensterfront, beide Hände in den Hosentaschen seiner perfekt sitzenden und knitterfreien Anzughose. Das hellgraue Hemd umschmeichelte seine Figur.

  Die pechschwarzen Haare, die mit einem modischen Schnitt versehen waren, strahlten Glanz und Frische aus, anders als meine durch Spliss zerfressenen Fransen. Allein von hinten besaß dieser Kerl eine unfassbare Ausstrahlung. Sein athletisch muskulöser Rücken wirkte einschüchternd.

  Ich schluckte hart, als er sich auffällig laut räusperte.

  »Lass uns alleine, Cheryl. Und geh dann endlich nach Hause. Du weißt, du hast hier normalerweise nichts zu suchen, wenn Rich nicht anwesend ist.« Kein Bitte, kein Danke. Nicht einmal einen Blick hatte er für seine Assistentin übrig, die sich sichtlich enttäuscht umdrehte, den Raum verließ und mich mit ihm alleine ließ.

  Schnell und schwer atmend stand ich völlig verloren in dem riesigen Raum und traute mich kaum, etwas zu sagen, geschweige denn, ihm in die Augen zu sehen – würde er sich gleich umdrehen. Seine Präsenz schien pure Ehrfurcht in mir zu wecken. Ein Gefühl, das ich bisher bei keinem anderen Mann verspürte. Zumindest nicht, dass ich mich daran erinnern würde ...

  Unsicher zupfte ich am Ärmel meiner immer noch feuchten und leicht durchsichtigen Bluse, bevor ich aus dem Augenwinkel erkannte, dass er sich ein wenig in meine Richtung drehte, jedoch ohne sich vollständig umzudrehen oder mich anzusehen. Ernst, vielleicht auch in Gedanken, starrte er aus dem Fenster und gab mir damit Zeit, ihn neugierig von der Seite zu begutachten.

  Paxtons Profil war kantig und nichts anderes als männlich.

  Ich schluckte abermals hart, als sich mein Puls beschleunigte und mein Blick unkontrolliert über seine Wangenknochen zu seinen Lippen glitt und wieder hinauf bis zu seinen Augen, die von hier aus dunkel und entschlossen wirkten. Die Augen eines Gewinners.